Annette Sartori
Nach 11 Jahren Malawi, ist dies mein erster Einsatz in Gambia und ich bin gespannt, was mich erwartet. Nach einem unkomplizierten Flug kommen wir Nachmittgas in Banjul an und es ist brüllend heiss. Meine Erfahrungen am Amazonas und in Manaus sind nichts dagegen!
Die Fahrt bis Mama Africa führt uns durch locker bis dichter besiedelte Gegenden, vorbei an Märkten, Eselskarren, Gemüseverkäuferinnen und vielen Häusern, die im Rohbau schon zu Ruinen verfallen.
Das Mama Africa Lodge & Art Center ist wie ein Paradies. Von üppigem Grün, tropischer Blütenpracht und Vögeln in allen Farben und Grössen umgeben, liegen unsere Häuschen. Sie sind stilvoll und mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Die ersten zwei Tage, es ist Wochenende, lerne ich erst mal unsere Projektpartner, Isha und Bernd, und das Anwesen mit seinen Mitarbeitern kennen. Auch die Schule und die Behandlungsräume werden mir gezeigt. Ich bin beeindruckt von der guten Ausstattung, der umfangreichen Bibliothek, der Arzneimittelauswahl und der Einrichtung des Unterrichtsraumes. Am Sonntag dann ist sogar Zeit für ein paar Stunden am Strand von Batokunku und wir geniessen im Schatten eines Palmendaches die Aussicht aufs Meer. Fünf gelbe Hunde leisten uns schlafend Gesellschaft.
Endlich ist Montag und es kann losgehen. Da Mr. Colley an diesem Tag unterrichtet, sortieren Gabrielle und ich die mitgebrachten Arzneimittel und organisieren die nächsten Unterrichtstage. Es ist unglaublich heiss und schwül – 4mal duschen täglich bringt nur kurz Erleichterung.
Am nächsten Tag, es hat stark geregnet, sind alle MitarbeiterInnen der Mobile Clinic mindestens eine Stunde zu spät. Auch unsere SchülerInnen sind spät, um 10:00 sind nur 5 von 15 da. Kommt mir irgendwie bekannt vor aus Malawi… Wir beginnen trotzdem mit dem Unterricht und so gegen 11 sind dann fast alle da. Die Unterrichtssituation ist mir sofort vertraut und es macht Spass gemeinsam mit Gabrielle den Unterricht zu gestalten. Wir ergänzen uns gut. Gabrielle hat gut vorbereitetes Material dabei und ich fordere unsere SchülerInnen auf, die Arzneimittel als kleines Theater (Drama) vorzuführen. Anfänglich sind sie noch etwas schüchtern, aber nachdem ich mit gutem Beispiel voraus gehe, fassen sie Mut und es macht ihnen sehr viel Spass!
Freitags unterrichte ich alleine, indem ich mit ihnen die Zusammenfassung der bisher gelernten Arzneimittel durchgehe, die Vorbereitung auf den bevorstehenden Test. Am Samstag kommen die Graduates zur Supervision. Der mitgebrachte Fall von Kibilly passt hervorragend zu meinem vorbereiteten Material, sodass ich meinen Stoff gut an die Gruppe vermitteln kann und das Gefühl habe, er fällt auf fruchtbaren Boden.
Die HomöopathInnen der Mobile Clinic sind schon wieder zu spät. Nach einer ernsten Besprechung am nächsten Tag, werden zwei von ihnen einstweilen suspendiert und die Betreuung der Mobile Clinics umgestaltet. Am darauf folgenden Clinictag gehen dann Gabrielle und ich mit auf Tour. Bakau ist unser Ziel. Wir richten unsere behelfsmässige Klinik im Sitzbereich eines Chicken-Grill-Restaurants ein (was sich später noch rächen wird). Ein paar Tische und Stühle werden zusammengerückt, Bücher, Laptop, Stift und Karteikarten drauf – fertig. Viele ältere Frauen in bunten Gewändern sitzen in einer langen Schlange im Schatten der Mangobäume und warten schon. Wir arbeiten uns an zwei Behandlungseinheiten durch die endlose Schlange. Immer wenn eine rein gerufen wird, stehen alle anderen auf und rutschen einen Stuhl weiter in der Schlange. Wir behandeln Menschen mit Gelenkproblemen, Asthma, Kopfschmerzen und vielem mehr. Mittlerweile ist jedoch der Chicken-Grill angefacht und wir werden schön gleichmässig mit Hähnchenrauch eingeräuchert. Trotz Hitze und Rauch schaffen wir die ganze Schlange und sind am Spätnachmittag erschöpft, aber glücklich, zu Hause.
Am nächsten Tag geht es weiter mit Unterricht; Anamnesetechnik ist das Thema. Wir üben auch praktisch, in dem die SchülerInnen abwechselnd Patient oder Behandelnder sind und sich gegenseitig befragen. Gar nicht so einfach, die richtigen Fragen zu stellen! Danach bin ich wieder die Drama-Queen und führe einen Rhus-tox-Hautausschlag und einen Bryonia Husten vor. Gabrielle macht die Anamnese und die SchülerInnen sollen repertorisieren und das Mittel finden. Es läuft richtig gut. Nachmittags sammeln sich immer mehr Patienten an, die von uns behandelt werden wollen, sodass wir oft bis abends Fälle bearbeiten. So vergehen die Tage.
Und im Nu ist der grosse Tag gekommen, der 3.11.18, an dem das Mama Africa Art Center neu eröffnet wird. Schon seit Tagen, oder Wochen, werden Vorbereitungen getroffen: Pflanzenkübel, Hinweisschilder, Malerarbeiten, Stoffe einfärben, Klempner rufen- an alles muss gedacht werden. Jetzt ist alles bis aufs letzte Detail fertig und wunderschön! Isha hat wirklich an alles gedacht. Die Angestellten sind in ihren neuen Uniformen unterwegs und unsere Studierenden sind da, um zu helfen die Gäste vom Parkplatz zur Galerie zu führen. Ambassadors, Imame und Minister sind gekommen, Musa singt live und sogar das Fernsehen ist da. Mama (Isha Fofana) hält eine flammende Rede zur Eröffnung, die mich tief berührt. Was hat diese Frau Kraft! Dann eröffnet der Minister für Kultur und Tourismus offiziell die Galerie und alle Gäste strömen in die neu eingerichteten Räume voller Kunst und westafrikanischen Kulturgütern. Es ist ein gelungener Tag. Zum Abschluss gibt es Benechin für alle.
Mit diesem Grossereignis endet quasi mein Gambiaaufenthalt. Vieles war vertraut durch meine Malawierfahrungen und doch neu, da es mein erstes Mal in Westafrika war. Ich bin froh alles miterlebt zu haben und freue mich auf meinen nächsten Einsatz an der Smiling Coast in the Gambia!